Deutschlands größtes Geschenk an die Welt

Als europäisches Transplantat in Amerika werde ich oft gefragt, ob ich mein Geburtsland vermisse. Am allermeisten vermisse ich meinen Papa, seine langjährige Lebensgefährtin, die restliche Familie sowie meine Freunde. Über das Internet oder gelegentliche Telefonate verbunden zu sein ersetzt das allzu selten stattfindende direkte Gegenüber natürlich nicht, doch verbleibt wenigstens eine Verbindung, was für viele ehemalige Emigranten nicht gewährleistet war. Sobald sie den Fuß auf das Schiff setzten, das sie über den Atlantik beförderte, gab es Funkstille. Weiterhin vermisse ich gewisse Orte und Traditionen, die sich in meine Psyche eingeprägt haben, und mit einem schmerzlich-nostalgischen Gefühl verbunden sind.

Um zu etwas Leichtherzigerem überzugehen: Als wir uns kennenlernten, scherzte mein späterer Ehemann immer, ich könne von Haus aus keine Deutsche sein, müsse importiert worden sein, da ich weder Fleisch aß, noch Bier, Wein oder Kaffee trank. Wenn also amerikanische Freunde von der deutschen Küche und von deutschem Hopfen schwärmen, kann ich nur die Augen verdrehen. Ich sehne mich nicht länger nach den Mahlzeiten meiner Kindheit, deren Mittelpunkt ein großes Stück Fleisch war, das mit einer Kartoffelvariante und einem zerkochten, geschmacklosen Gemüse serviert wurde, welches in einer weißen Fondorsauce schwamm (ich entschuldige mich bei allen Liebhabern dieser Küche).

Wonach ich mich stattdessen sehne, ist deutsches Brot. Ovale, runde, quadratische oder rechteckige Laiber (von Brötchen ganz zu schweigen) aus Weizen-, Buchweizen-, Roggen-, Gersten-, Dinkel- oder Haferflockenmehl, berieselt oder gefüllt mit Sonnenblumen- oder Kürbiskernen, mit Hirse, mit Mohn- oder Leinsamen. Mit einer knusprigen Kruste und einem festen aber zugleich lockeren Zentrum, das weder nach Molasse noch einem anderen Süßstoff schmeckt (ich entschuldige mich bei allen Liebhabern amerikanischen Brots). Wenn sich das wie ein Alptraum für alle Leidenden an Gluten-Intoleranz anhört, ist es ein Traum für diejenige, die sich niemals mit einer kohlenhydratarmen Diät anfreunden wird.

Nach dieser etwas lang geratenen Einführung ist es vielleicht nachvollziehbar, daß einer meiner ersten Botengänge in Frankfurt ein kleiner Abstecher zu einer der zahlreichen Bäckereien im Flughafen ist, dem weitere Botengängen zu ähnlichen Einrichtungen folgen, seien sie zu alteingesessenen, privaten Geschäften (bevorzugt), Supermärkten angeschlossenen Ketten, oder Bretzelständen am Bahnhof, oder in der Innenstadt.

Das unnachahmliche Aroma frischer Backwaren, das durch die Lüfte weht, und der Anblick von Regalen, die sich unter dem Gewicht unzähliger Brotformen und -farben beugen, sind für mich unwiderlegliche und willkommene Anzeichen, daß ich mich wieder in der alten Heimat befinde.

Leider muß ich mich momentan mit visuellen, olfaktorischen und gustatorischen Fantasien begnügen, bis unsere Reisepläne in Erfüllung gehen.

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http://tanjabrittonwriter.com/2018/11/27/germanys-greates…ift-to-the-world/

17 Gedanken zu “Deutschlands größtes Geschenk an die Welt

  1. Ja das stimmt schon, es sind die einfachen Dinge die einem abgehen. Bei mir war es auch das Brot, als ich mal längere Zeit beruflich im Ausland war. Selbst in Frankreich gibt es nur weißes Brot, Baguette, da freut man sich wieder auf ein gesundes, saftiges dunkles Vollkornbrot.
    V

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  2. Ich bin ja im Moment in Deutschland und da kann ich mich an all diesen schönen Brotsorten sattessen!! Besonders fehlen mir die Brezen… aber daran fehlt es natürlich in München nicht und ich kann meine Leidenschaft.. – die Butterbreze -… ungehemmt ausleben!

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  3. Liebe Tanja,
    ich kann Dich sehr gut verstehen. Mir fehlt die deutsche Brotvielfalt schon, wenn ich nur zwei oder drei Wochen in Irland/England/Madeira Urlaub mache.
    Mein absoluter Lieblingsbäcker befindet sich in der Nachbarstadt, die jedoch gut erreichbar für mich ist, da ich nahe an der Stadtgrenze wohne.
    Es ist die Bächerei MYSKA, die köstliche Brötchen, Brote und Laugenstangen herstellt und zwar in Bioqualität mit Getreide von Biobauern aus der Nahregion:
    http://www.baecker-myska.de/
    Sie haben Baguette-Brötchen, Germanen-Brötchen (mit HANF), Haferbrötchen, Maya-Brötchen (mit Amarant), Römer-Brötchen (Roggen), Malz-Brötchen, Mohn-Brötchen, Sesam-Brötchen, Sonnenblumenkern-Brötchen, Müsli-Brötchen, Nuß-Brötchen, Zwiebel-Brötchen usw. … und im Frühjahr saisonal-begrenzt sehr aromatische Frühlingskräuter-Brötchen mit Bärlauch und Löwenzahn.
    http://www.baecker-myska.de/myska-brotvielfalt.html?m=1527024148&
    So jetzt habe ich Dir und mir den Mund wässrig geschrieben. 😉

    Kerzenlichte Grüße von
    Ulrike

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    • Du hast nicht nur Dich, sondern auch mich hungrig gemacht, liebe Ulrike. Ich habe mir die Webseiten Deiner Lieblingsbäckerei angeschaut, und bin ganz neidisch auf die Vielfalt. Dafür würde sich eine Reise nach Wuppertal lohnen!
      Ich hoffe Du schlummerst gut und träumst von einem leckeren Brötchen. Oder noch besser, wachst morgen auf, und toastet Dir eins zum Frühstück. 😊

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      • Du wirst lachen, liebe Tanja,
        tatsächlich liste ich mir – anstelle des Schäfchenzählens – vor dem Einschlafen immer wieder gerne die Myskabrötchensorten auf. 😀
        Ich habe stets einen kleinen Vorrat im Tiefkühlfach liegen, da ich nur ungefähr zweimal im Monat mit Bus und Schwebebahn nach Wuppertal düse.
        Es freut mich, daß Dir meine Hinweislinks „geschmeckt“ haben. 😉

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      • Ich weiß nicht, ob Deine Art „Schäfchenzählen“ funktionieren würde, liebe Ulrike. Wahrscheinlich müßte ich dann schnell in die Küche rennen, und mir noch schnell so ein Brötchen zugute kommen lassen… 😊

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  4. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Art von „Heimweh“ so schlimm sein kann. Eine liebe Kollegin aus Dallas berichtete mir, dass es in ihrer Nachbarschaft einen „German Shop“ gibt, wo sie öfters einkauft, weil ihr unter anderem das Brot so gut schmeckt. Solch ein Laden ist aber wohl eher eine Ausnahme. Liebe Grüße, Uwe

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    • Hört sich vielleicht schlimmer an als es ist, aber ich schwelge halt in meinen Broterinnerungen.
      Wir haben hier übrigens auch einen deutschen Laden, wo Brot und Brötchen verkauft werden, und ab und zu bediene ich mich dort auch. Aber irgendwie ist es doch noch etwas anders. Vielleicht hängt das auch mit den nostalgischen Gefühlen zusammen.
      Ich danke Dir für Deinen Kommentar, lieber Uwe.
      Herzliche Grüße,
      Tanja

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  5. Liebe Tanja, oh ja, es glänzt so aus der Ferne, aber bei unserem Brot ist auch nicht mehr alles Gold. Vor allem nicht in den Back-Shops der Supermärkte. Da findet sich nichts Knuspriges mehr und Gesundes wohl auch nicht. Glücklich schätzen kann sich allerdings, wer noch einen traditionellen Bäcker um die Ecke hat. Da ist die Brot- und Brötchenwelt noch in Ordnung. Und wenn wir alle dort kaufen, dann wird das hoffentlich noch lange so bleiben! Knusprige Grüße, Ulrike

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    • Auf da Problem mit der zurückgehenden Qualität bin ich nicht eingegangen. Wie in vielen Sparten hängt das vielleicht von der zurückgehenden Nachfrage ab. Wenn mehr Konsumer auf gute Qualität pochen, und willens sind, einen Preis dafür zu zahlen, dann lohnt es sich wahrscheinlich, hochwertige Backwaren anzubieten. Wenn nicht, nimmt die Qualität wahrscheinlich ab.
      Ich fände es sehr traurig, wenn das Bäckerhandwerk ausstürbe.
      Ich hoffe Du genießt Dein Brot, liebe Ulrike, und die letzten Novembertage.
      Herzlichst,
      Tanja

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    • Vor vielen Jahren habe ich selbst mal Brot gebacken, liebe Brigitte, bin aber wieder davon abgekommen. Vielleicht sollte ich es mal wieder versuchen. Da wir auf 2000 Meter Höhe leben, müssen alle Rezepte angepaßt werden, und die Resultate sind nicht immer so wie erwartet oder erhofft.
      Schön, daß Du eine gute Biobäckerei bei Dir in der Nähe hast.
      Ich hoffe Du genießt Deine Blogpause. Euch allen in Bremen eine schöne Vorweihnachtszeit. Deinen Adventskalender habe ich sehr genossen.
      Ganz herzliche Grüße,
      Tanja

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  6. Ich liebe gutes Brot, jedoch inzwischen auch bei uns nicht immer einfach zu bekommen. Es gibt viele Bäcker, die einfach nur noch Backmischungen verwenden, das hat natürlich wirtschaftliche Gründe. Wenn Du wieder mal in Frankfurt sein solltest empfehle ich Dir

    https://www.kroegers-broetchen.de/home-2/

    falls Du Gelegenheit hast in die Stadt zu fahren.

    Einer der ganz wenigen Bäcker, die noch selber backen. Ich selbst habe übrigens mehr als zwei Jahre suchen müssen, um einen echten Bäcker in Frankfurt zu finden, als ich 1990 nach Frankfurt kam. Die meisten backen nur noch auf.

    Ich weiß nicht, ob Du das überhaupt eine Option für dich ist, falls Du selber backen willst. Wäre das Brotbackbuch No. 1 von Lutz Geissler eine Option. P.S. die Topfbrote, das ist wirklich auch zu Hause hinzubekommen sind eine einfach Möglichkeit sich dem Thema zu nähern. Übrigens kommt die Idee dafür aus den Staaten. Das zu wabern unzählige Rezepte durchs Netz.
    LG Ira

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    • Die Auswahl bei Krögers Bäckerei sieht ganz lecker aus, liebe Ira. Schön, daß Du sie gefunden hast. Ich wußte schon, daß viele deutsche Bäckereien nicht mehr selbst backen, aber irgendwie schmeckt das Brot doch gut, wenigstens mir, da ich nicht so den Vergleich habe.
      Ich habe früher schon ab und zu mal Brot gebacken, kam aber wieder davon ab. Vielleicht bin ich einfach zu faul. Hinzu kommt noch, daß alle Backrezepte in Colorado an die Höhe angepaßt werden müssen (wir liegen 2000 Meter hoch).

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