Gastgeschenk(e)

     Da ich fern der Heimat meiner Kindheit lebe, sehe ich Familie und Freunde aus Europa nicht so häufig, wie ich mir das wünsche, doch dieses Jahr wurden mein Mann und ich zweimal von Besuchern beglückt. Unsere Freundin Susanne reiste kurzfristig im April an, und wir zeigten ihr einige unserer Lieblingsorte.

Susanne und Pikes Peak vom Garden of the Gods aus gesehen

Obwohl sie uns zu täglichen Wanderungen herausforderte, trug sie auch zu unserer Gürtellinie bei, indem sie uns mit Unmengen von Schokolade, Tee, hausgemachter Marmelade und Brotaufstrichen eindeckte. Die sind inzwischen nahezu verschwunden, doch wir profitieren nach wie vor fast täglich von dem magischen, schaumerzeugenden Zauberstab, der die Rückkehr über den Atlantik nicht antrat.

     Nochmals vielen Dank, Susanne! Beim nächsten Mal erforschen wir dann die Wege, die wir bisher ausgelassen haben.

     Bald nachdem ich den letzten Beutel Fencheltees ausdrückte, der in dem Koffer der Frau befördert worden war, die weder seinen Geschmack noch Geruch mag, erheiterte mich die Aussicht auf Nachschub. Glücklicherweise entschieden sich meine Cousine, ihr Mann und deren Tochter für einen (zu) kurzen Aufenthalt im August bei uns, bevor sie mit einem Mietwagen Richtung Westküste aufbrachen. Meiner Bitte um Fencheltee wurde nachgekommen – und meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Anstatt der drei oder vier Schachteln, die mir vorschwebten, zählte ich zwölf! Was ist das Besondere an diesem Getränk? Es ist hier nicht weit verbreitet, und da es als medizinisches Mittel eingestuft wird, erhöht das gleich den Preis. Ich könnte wahrscheinlich Fenchel selbst anpflanzen, werde jedoch bisher durch unsere zuvorkommenden Gäste zu weiterer Bequemlichkeit befähigt.

     Ich war nicht minder erstaunt, daß ein weiteres Ersuchen mit zehn (10!) Tafeln Chili Schokolade beantwortet wurde, obwohl ich eher zwei oder drei im Sinn hatte. Mein Vorsatz, gegen meine gut gepolsterten Hüften vorzugehen, wurde durch Wohlwollen und zu viele Kalorien untergraben. Von meinem Göttergatten, den diese Schokolade kalt läßt, kann ich keine Hilfe erwarten.

     Die Liste der Gaben ist noch länger. Ich war hoch erfreut, ein Buch mit dem Titel zu erhalten, der einer Kondition entspricht, unter der ich (glücklicherweise) leide: Ornithomania. Und mein Mann, weil sein neues Paar handgestrickter Socken warme Füße im Winter garantiert. Als ob all diese Geschenke noch nicht genug gewesen wären, wurde uns zu guter Letzt noch eine von mir beiläufig bewunderte Stofftasche vermacht, als wir Anfang September einen letzten Nachmittag zusammen in Denver verbrachten, wo meine Verwandten eine Nacht vor ihrem Rückflug nach Deutschland überbrückten.

     „Zufällig“ ergab es sich noch, daß sich der Ehemann meiner Cousine, ein passionierter (obsessiver?) Läufer, für das bekannteste hiesige Bergrennen, den Pikes Peak Marathon, angemeldet hatte. Nur fünf Tage nach seiner Ankunft in Colorado Springs aus einer Höhe von etwa 250 Metern, begann er sein Rennen auf 1920 Metern, erklomm 2400 weitere, bis zum 4300 Meter hohen Gipfel, über eine Distanz von etwa 23 Kilometern, kehrte um, und wiederholte den Kurs in umgekehrter Richtung, und all das in unter sechs Stunden. Hut ab, Sven (oder besser gesagt, Pikes Peak Marathon Hut auf)! Ich kann von einer solchen Leistung nur träumen, aber Du hast das geschwind mal vor Eurer 5000 Kilometer langen Reise nach Kalifornien erledigt.

Garden of the Gods ist für jeden Besucher in Colorado Springs obligatorisch

Selbst nach dem Marathon wird noch gelächelt

Abfahrt Richtung Kalifornien

     Tamara, Chiara und Sven, wir haben Euren Besuch total genossen und bedauern nur, daß die Zeit so schnell verging. Wir hoffen, Ihr kommt alle wieder, und das in nicht allzu ferner Zukunft.

     Fortan werde ich die hochgeschätzte Frage über Mitbringsel aus Deutschland nur nach reiflicher Überlegung beantworten. So bald dürfte ich weder Fencheltee noch Schokolade brauchen, obwohl unerklärlicherweise bereits einige Tafeln verschwunden sind.

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Der Garten Eden

Colorado hat mehr Berge, die 4000 Meter überschreiten, als jeder andere US Staat (52 bis 54, je nach Quelle) sowie eine Durchschnittshöhe von 2070 Metern, und liegt damit dem Himmel am nächsten. Die Gegend ist bekannt für Sonnenschein, prächtige Natur, und verfeinerte Luft, und wenn man dies bedenkt, ist es keine Überraschung, daß sie auch Heimat des Gartens Eden ist. Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen – war tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit dort.

Damit es nicht noch häufiger besucht wird, möchte ich hier nur sagen, daß sich Eden in ein heimeliges Tal in der Nähe eines charmanten Bergdorfes schmiegt, das nicht allzu weit von der Front Range der Rocky Mountains entfernt liegt. Es kann nur über steile Wanderwege erreicht werden, die von Felsen bedeckt und mit Wurzeln überwachsen sind. Weil Wasser den Ursprung allen Lebens bedeutet, wird das Tal passenderweise von einem Bach geformt und dominiert, was das Wachstum einer dichten Vegetation fördert. Hohe Felsen einerseits, und ein abschüssiger, von unterschiedlichen Grüntönen bedeckter Hügel andererseits, bieten ein Gefühl der Abgeschiedenheit, das einem exklusiven Garten gebührt.

Wie die grüne und üppige, sich momentan auf den Herbst vorbereitende Landschaft, harmonisiert auch die Klanglandschaft mit der paradiesischen Umgebung. Das sanfte Murmeln des Wassers wird vom wohlklingenden Singen der Vögel, Summen der Insekten, Rascheln der Espenblätter und Flüstern der Fichten und Kiefern ergänzt. Die natürliche Schönheit des Schauplatzes mit seinem friedvollen Ambiente, seinem reichen Pflanzen- und Tierleben sowie der allgemeinen Abwesenheit menschlicher Mißklänge erinnert an den Zustand vor dem Fall und diente vielleicht als Inspiration für den arkadischen Namen.

Selbstverständlich im Paradies vertreten: Goldmantelziesel

Jan und Richard, ich bin Euch dankbar, daß Ihr mich gebeten habt, Euer Haus zu hüten. Es befindet sich dichter an Eden als die meisten Residenzen Eurer Gemeinde, was seinen Besuch erleichterte; aber allein in Eurem Heim auf Eurem Grundstück zu leben, kam einer paradiesischen Erfahrung sehr nahe, ohne zusätzliche Schritte machen zu müssen.

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Ancestral Puebloans-Teil 4: Hovenweep

Dies ist Teil 4 einer mehrteiligen Serie.

Klicken Sie bitte hier für Teil 1, hier für Teil 2, hier für Teil 3.

Hovenweep National Monument wurde im Jahre 1923 gegründet. Es handelt sich dabei um eine Ansammlung weniger bekannten Ruinen der Ancestral Puebloans, die sich entlang der Grenze zwischen Colorado und Utah erstrecken. Es zählt zu jenen abgelegenen Kleinoden mit viel Anziehungskraft, die uns immer wieder zu ihm zurückzieht. Unser vierter Besuch fand im Mai dieses Jahres statt.

Hovenweep setzt sich aus sechs verschiedenen Standorten zusammen, wo zwischen 1200 und 1300 u. Z. um die 2500 Einwohner gelebt haben sollen. Fünf der Siedlungen sind etwas abgelegen, und hauptsächlich per Vierradantrieb über Feldwege, oder per pedes über Wanderwege zu erreichen. Die Hauptattraktion heißt Little Ruin Canyon und liegt in der Nähe des anmutigen Besucherzentrums, das in einem Stil erbaut wurde, der im Südwesten weitverbreitet, und den ehemaligen Pueblos nicht ganz unähnlich ist.

Hovenweep Besucherzentrum

Ein drei bis vier Kilometer langer Weg ermöglicht Zugang zu den runden, quadratischen und D-förmigen Türmen, die für diesen Ort charakteristisch sind. Die Route folgt dem Rand des Canyons, führt aber auch in ihn hinunter. William Henry Jackson (1843-1942), der legendäre Photograph des Westens, soll ihn Hovenweep getauft haben, das in der Sprache der Ute/Paiute soviel bedeutet wie verlassenes Tal. 1874 erforschte er die Gegend als Mitglied der berühmten Hayden Expedition, die es ihm auch ermöglichte, die ersten Bilder von Mesa Verde zu machen.

Sonnenaufgang und Monduntergang

Sonnenaufgang

Eine der interessantesten Ruinen, genannt „Eroded Boulder House“ (ich nenne es die Muschel)

Während unserer letzten zwei Aufenthalte zelteten wir auf dem aus 31 Stellen bestehenden, relativ kompakten Campingplatz. Ein Gehweg zum nahegelegenen Little Ruin Canyon spornte uns zu wiederholten Exkursionen an. Die dortigen Pflanzen haben schon immer zu unserer Begeisterung beigetragen. Dunkelgrüne Wacholderbäume, duftender Wüstensalbei, schwertartige Yucca Gewächse und farbenreiche Kakteen waren weitverbreitet und wurden von kleineren Wildblumen ergänzt, die Kolibris und weitere Bestäuber anlockten. Auf dem felsigen Boden parfümierten Kliffrosen die Lüfte mit süßen Düften. Trotz der harschen Umwelt war die Fauna nicht weniger divers als die Flora, und Insekten, Eidechsen, Vögel und Säugetiere waren reichlich vertreten.

Vielseitige Yucca

Kliffrosen am Rand des Little Ruin Canyon

Blüten mit Regentropfen

Halsbandleguan

Auch Blaumückenfänger lieben Little Ruin Canyon

Während der Ära der Ancestral Puebloans wurde alles, was als Lebensmittel, Feuermaterial oder Kleidung nutzbar war, geerntet. Yucca Pflanzen alleine stellten Nahrung (Blüten), Fasern (Blätter), Nadeln (Blattspitzen) und Seife (Wurzeln) zur Verfügung. Kaktusblätter waren eßbar. Die faserige Rinde von Wacholder wurde zu Fasern, Füllmaterial, Windeln und Toilettenpapier verarbeitet. Kiefernsamen stellten kalorienreiche Bissen dar. Die Frage, ob die Pueblo Bewohner in Einklang mit der Natur lebten, drängt sich auf. Es gibt Hinweise darauf, daß sie Teilnomaden blieben. War es ihr Ziel, das Land brach liegen zu lassen, damit es sich erholen konnte? Auch waren ihnen Monokulturen wahrscheinlich fremd. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Zivilisation, die die Zyklen des Himmels zu interpretieren wußte, die Lektionen der Erde ignoriert hätte. War es letztendlich eine ausgedehnte Dürreperiode, die all ihre Voraussicht und Vorbereitungen nichtig machte, und sie dazu zwang, ihre Heimat vor 700 Jahren zu verlassen? Nur die Gemäuer von Hovenweep wissen die Antwort.

Damit kein falscher Eindruck vermittelt wird — das Leben war anstrengend, die Lebenserwartung kurz. Hunger und Durst? Tägliche Belange. Bewaffnete Auseinandersetzungen? Wahrscheinlich. Kannibalismus? Möglich. Die Ancestral Puebloans waren Menschen mit menschlichen Schwächen. Dennoch inspirieren und laden sie uns ein, immer wieder zurückzukehren, und uns in ihrer faszinierenden Welt umzuschauen. Ihr Exodus, ihre bemerkenswerten Relikte, ihre anschaulichen Felszeichnungen und –ritzungen werfen mehr Fragen als Antworten auf, und ihre Geheimnisse überdauern.

Wer waren diese Ancestral Puebloans?

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Ancestral Puebloans-Teil 3: Mesa Verde

Dies ist Teil 3 einer mehrteiligen Serie.

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Als Chaco Canyon seine herausragende Rolle verlor, sei es aus natürlichen oder menschlichen Gründen, flackerte Mesa Verdes Stern kurz auf, bevor auch er verblaßte und erlosch. Indianer hatten diesen Teil des Colorado Plateaus im südwestlichen Teil des heutigen Colorado seit dem 6. Jahrhundert besiedelt. Anfangs lebten sie in Grubenhäusern auf den flachen Tafelbergen (mesas), und danach in überirdischen Steinhäusern. Nach 1150 bauten sie umfangreiche Pueblos in Alkoven aus rotem Sandstein, und dieser malerische Hintergrund kommt vielen zunächst in den Sinn, wenn sie an Ancestral Puebloans denken. In noch nicht einmal hundert Jahren wurden diese bereits wieder verlassen. Hier wie anderswo werden die Gründe noch immer diskutiert. Historiker weisen oft darauf hin, daß die defensive Lage dieser Pueblos die Theorie bestärkt, daß Dürre und Hungersnot zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Sippen und letztlich zu deren Zerstreuung führten.

Mesa Verde wurde 1906 zum Nationalpark und 1979 zum Weltkulturerbe ernannt. Mein Mann und ich erforschten ihn zweimal, 2009 und 2011. Als wir im Mai dieses Jahres während einer Reise durch die Region am Eingang vorbeifuhren, bedauerten wir, keine Zeit für einen dritten Aufenthalt zu haben. Aber wir erinnerten uns an vorherige Ausflüge und folgten der Straße in den Park in unserer Vorstellung. Nahe der Abfahrt von der Landstraße 160 führt eine Abzweigung zu dem Besucherzentrum. Selbst wenn es Reisenden nicht möglich ist, den Park ausführlich zu erforschen, können sie hier Informationen über einen der beliebtesten Nationalparks in Colorado einholen. Nach etwa sechseinhalb Kilometern führt die Straße am Campingplatz vorbei, der von Mai bis Oktober geöffnet ist, bevor sie sich auf den Tafelberg hochschlängelt, der grandiose Aussichten auf das Umfeld bietet. Nach 24 Km gabelt sich die Route und ein Ast führt zu Chapin, ein zweiter zu Wetherill Mesa.

Auf Chapin Mesa sind der Cliff Palace (Titelbild oben) und das Balcony House die wohl bekanntesten und meist photographierten Pueblos. Nach vielen Jahren des Plünderns und der mutwilligen Zerstörung sowie aus Sicherheitsgründen sind sie nur mit Rangerführung zu bewundern, für die man eine Reservierung braucht, die meist für den gleichen Tag zu haben ist. Selbstständige Touren können im Spruce Tree House durchgeführt werden. Das Chapin Mesa Archeological Museum bietet ausführliche Details über die Geschichte der Ancestral Puebloans. Ausgrabungen in der Nähe zeigen die älteren Grubenhäuser. Der beeindruckende Sonnentempel, der Zeremonien vorbehalten gewesen sein soll, blieb unvollendet, als seine Erbauer ihn verließen. Ehemalige Rückhaltedämme und Reservoire dienten der Wasserspeicherung. Obwohl es im Alltag unentbehrlich war, betrieben die Bauer angeblich nur Trockenfeldbau, ohne künstliche Bewässerung.

Balcony House

Kiva mit fehlendem Dach. Zeremonieller Raum, in dem die Menschen ihren Ursprung genommen haben sollen.

Kivas im Spruce Tree House mit Dach. Die zentrale Öffnung war mit Leiter ausgestattet.

Original Innendekoration

Sonnentempel

Kakteen gedeihen auf dem felsigen Boden

Wetherill Mesa  hat nur von Mai bis September offen, je nach Wetterlage. Die Hauptgebäude dort sind das nur mit Führung zu besichtigende Long House, und das allen Besuchern zugängliche Step House. Dieser Parkabschnitt wurde nach Richard Wetherill (1858-1910) benannt, einer bekannten, wenn auch umstrittenen, Persönlichkeit in den Annalen verschiedener Pueblos. Er stammte aus einer Rancherfamilie in Colorado und ihm wird die Entdeckung des Cliff Palace zugeschrieben. Obwohl ihn die alten Steingebäude samt Gebrauchsgegenständen, Nahrungsmitteln und menschlichen Skeletten zutiefst berührten, mag er wenigstens teilweise für deren Diebstahl oder Verkauf an Museen und Sammler verantwortlich gewesen sein. Wetherill könnte deshalb als einer der ersten „Scherbenjäger“ (pot hunters) bezeichnet werden, die bis heute ihre Untaten fortsetzen. 1901 zog er nach Chaco Canyon und versuchte, das Land nahe der dortigen Ruinen zu besiedeln. Als es zum Nationalpark erklärt wurde, gab er sein Vorhaben auf, leitete aber weiterhin einen Handelsposten. Er wurde 1910 erschossen und sein Grab befindet sich nicht weit von Pueblo Bonito.

Square Tower House, eines von vielen weiteren Pueblos in Mesa Verde

In Mesa Verde machten wir unsere erste Bekanntschaft mit dem Design der Ancestral Puebloans. Ihre eleganten Bauten, die sich zwischen zwei Sandsteinschichten erstrecken, hinterließen unauslöschliche Eindrücke. Auch hier fehlen viele Teile des Puzzles dieser faszinierenden Kultur.

Wer waren diese Ancestral Puebloans?

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https://tanjabrittonwriter.wordpress.com/2017/09/07/ancestral-pueblo…art-3-mesa-verde/