Sonnenwende

Mein Körper reiht sich ein.

Er ist an seinem dunkelsten Punkt,

aber nur für kurze Zeit.

Nicht genug Zeit für Wahnsinn

     oder vorübergehende Depression.

Der dunkelste Punkt stellt nur eine kurze Gelegenheit dar.

Eine Gelegenheit für Traurigkeit, Einsamkeit, Sichentlieben

     und weitere Zustände, die mit Lichtmangel einhergehen.

Aber bevor von der Gelegenheit Gebrauch gemacht werden kann, ändern sich

     die Schatten.

Das Licht wird stärker,

zieht mich zu sich hin.

Zu seiner Wärme, dem darin verborgenen Versprechen.

Und so beginne ich den nächsten Zyklus,

zusammen mit den Tieren, den Pflanzen, den Ozeanen und Winden

und allen, die denselben Sog fühlen.

 

Ich finde mein Gleichgewicht.

Ich beginne erneut.

Es ist erst der zweiundzwanzigste Dezember und schon beginnt es,

     sich wie Sommer anzufühlen.

 

Ofelia Zepeda (born 1952), „The South Corner” (meine Übersetzung aus dem Amerikanischen) aus der Anthologie Sisters of the Earth: Women’s Prose & Poetry about Nature. Lorraine Anderson, Hrsg., 2. Ausgabe, 2003.

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Es weihnachtet sehr

Ich bin keine praktizierende Christin, praktiziere und genieße jedoch weiterhin Weihnachten, zumindest einige Aspekte. In einer immer globaleren und homogeneren Welt können Traditionen verwurzeln, und das Gefühl der Zugehörigkeit geben.

Meine kürzliche Europareise fiel mit der Vorweihnachtszeit zusammen und belebte einige dieser Traditionen neu für mich. Täglich ein Türchen des Adventskalenders zu öffnen, und dahinter verschiedene Schokoladenstückchen zu finden, war eine meiner Lieblingsaktivitäten als Kind – neben dem Öffnen der eigentlichen Geschenke am Heilig Abend. Ist es noch immer, doch freue ich mich auch, wenn sich nichts Süßes dahinter versteckt.

Ebenso erlebte ich in Deutschland zwei Adventssonntage und das mit ihnen verbundene festliche Anzünden der ersten zwei Kerzen des Adventskranzes. Wenn die dritte und vierte erleuchten, werde ich wieder in Colorado sein.

Von mir besuchte Städte und Häuser zeigten sich in ihrem Festschmuck, wobei jede Familie ihre eigene Note hinzufügte, und dadurch ihr Heim verschönerte, und die Sinne erfreute.

Die über Deutschlands Grenzen hinweg bekannten Weihnachtsmärkte waren in vollem Gange. Obwohl ich sie nicht speziell aufsuchte, fand ich sie an jedem meiner Reiseziele. Berlin schien sogar auf jedem öffentlichen Platz einen darzubieten. Da ich Menschenmengen nicht mag, hielt ich mich nur lange genug auf, um die Atmosphäre zu schnuppern. Der mit den Märkten assoziierte Kaufrausch wirkte ebenfalls als Abschreckung.

Die neue Normalität, allgegenwärtige Polizeipräsenz nach dem Anschlag vor einem Jahr auf dem Berliner Breitscheidplatz

Das Mainzelmännchen in der Pyramide bedeutet Mainz

Das Wetter Ende November und Anfang Dezember ist in vielen Gebieten Deutschlands von kühlen, bewölkten oder verregneten Tagen geprägt, doch wurde ich von mehreren, wenn auch kürzeren Schneefällen überrascht. Eine Wanderung im winterlich verzauberten Wald mit meinem Vater ist eine meiner schönsten Erinnerungen von diesem Besuch. ❤

Selbst wenn es wahrscheinlich so viele Vorstellungen von der Bedeutung von Weihnachten gibt wie Eiskristalle, hoffe ich wider besseres Wissen, daß wir alle irgendwann einen zentralen Anspruch dieses Festes umsetzen können: Frieden auf Erden.

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Spätherbst in Deutschland

Als ich Deutschland im späten Herbst einen Besuch abstattete, war ich zwischen einfacher Bewunderung der Blumenvielfalt und Besorgnis über die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels hin- und hergerissen. Da ich bereits seit Jahrzehnten nicht in Europa wohne, sind mir die Blütezeiten der meisten Pflanzen wenig geläufig, aber die Zahl und Vielfalt der noch gedeihenden Gewächse Ende November erschien mir ungewöhnlich. Neben dem erwarteten oder bereits abgefallenen Herbstlaub glänzten noch jede Menge Blüten, die ich eigentlich mit Sommer assoziiere. Trotz der Problematik konnte ich nicht umhin, mich an der floralen Fülle zu erfreuen, und die ihr innewohnende Schönheit zu bewundern.

Obwohl ich mit den destruktiven Einflüssen der Menschheit auf unsere einzige und einzigartige Erde zu kämpfen habe, bewundere ich ihre Vitalität und wunderbare Widerstandskraft – trotz uns. Möge uns kein Erfolg in der Vernichtung des einzigen Planeten beschieden sein, der unser Leben ermöglicht.

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Amache

Heute vor 76 Jahren, am 7. Dezember 1941, bombardierte die japanische Luftwaffe die amerikanische Marine in Pearl Harbor auf Hawaii. In Folge erklärten die Vereinigten Staaten, die vordem offiziell nicht in den zweiten Weltkrieg verwickelt werden wollten, Japan und seinem Verbündeten Deutschland den Krieg, was langfristig den Verlauf dieser verheerenden globalen Katastrophe änderte. Kurzfristig nahm es auf das Schicksal der in den USA lebenden Personen japanischer Abstammung Einfluß. Innerhalb weniger Monate wurden in einer unverhältnismäßigen, fremdenfeindlichen Reaktion auf eine vermeintliche japanische Bedrohung etwa 126.000 Menschen, von denen zwei Drittel US Staatsbürger waren, ohne Vorwarnung gezwungen, ihre Domizile und Geschäfte ohne Kompensation aufzugeben. Sie wurden zunächst in Sammellager gebracht, um danach auf eine von zehn permanenten Einrichtungen in verschiedenen Staaten verteilt zu werden, zu denen auch Colorado gehörte.

Der offizielle – und euphemistische – Titel von Camp Amache lautete „Granada Umsiedlungslager”. Es befand sich in der Nähe des Städtchens Granada, im abgelegenen Südosten Colorados. Der Name, einer Cheyenne Indianerin entliehen, war eine ironische Wahl. Sie war mit einem Pionier in der kleinen Siedlung Boggsville in der Nähe von Las Animas verheiratet, wo Weiße, Mexikaner und Indianer in den 1860er Jahren friedlich miteinander existierten. Obwohl zwischen Boggsville und Amache nur 100 Kilometer und 80 Jahre liegen, trennten sie Welten. Zwischen August 1942 und Oktober 1945 wurden in Camp Amache bis zu 7.500 Menschen auf einem Gelände von zweieinhalb Quadratkilometern eingepfercht, das von Stacheldraht und Wachtürmen umringt war. Sie lebten in überfüllten Baracken, von der ofenartigen Hitze und den tiefkühltruhenartigen Temperaturen der Prärie nur durch dünne Holzwände getrennt. Die sanitären Einrichtungen waren gemeinschaftlich und lagen von den Wohngebäuden entfernt, was in einem weiteren Verlust der Privatsphäre resultierte.

Trotz seiner Isolation und Schlichtheit entwickelte sich Amache zu einer vollfunktionierenden Stadt, was dem Erfindungsreichtum der Insassen zu verdanken war. In einem beeindruckenden Beispiel der Selbstverwaltung entwarfen gewählte Repräsentanten Gesetze, nach denen sich die Bewohner richten mußten. Die Gefangenen organisierten Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, Polizei, eine Zeitung und verschiedene Geschäfte. Auf 40 Quadratkilometern bauten sie eigene Nahrungsmittel an und betrieben Viehzucht. Sie kochten und verteilten Mahlzeiten in Kantinen. Viele waren erfolgreiche Bauern in Kalifornien gewesen und entlockten den Böden Colorados solch guten landwirtschaftlichen Erträge, daß sie mit den Früchten ihrer Arbeit weitere Lager versorgen konnten. Um das plötzliche Bevölkerungswachstum aufzufangen, wurde Agrarland in der Nähe von Amache von dortigen Landwirten gegen deren Willen von der Regierung erworben. Trotzdem adoptierten und führten einige die neuen Methoden nach der Auflösung des Camps weiter.

Ein Museum in der Stadt Granada illustriert, wie Ereignisse im weitentfernten Pearl Harbor die Geschicke dieser Gemeinde bestimmten, und wie mit problematischen Fragen der eigenen Vergangenheit umgegangen werden kann. Es wird von der „Gesellschaft für die Bewahrung von Amache“ (Amache Preservation Society) geleitet, die von einem Lehrer am dortigen Gymnasium ins Leben gerufen wurde, und nun von Schülern desselben betrieben wird. Etwa 1,6 Kilometer westlich des Museums liegt das einstige Lager, das zum nationalhistorischen Denkmal ernannt wurde, und ebenfalls Besuchern offen steht. Von der ursprünglichen Infrastruktur haben nur die Fundamente der Gebäude und das Straßennetz überlebt. Neben einer Baracke wurden ein Wasser- und ein Wachturm nachgebaut.

Am Rande des Lagers liegt ein Friedhof, eine grüne, friedvolle Insel, die einem japanischen Garten gleicht. Grabsteine, ein Schrein und ein Denkmal erinnern an die Opfer, die ihr Leben ließen, sei es im Lager, oder während ihres Kriegseinsatzes. Die Wehrpflicht machte nicht vor denen Halt, die in den Umsiedlungslagern interniert waren. Aus verständlichen Gründen verweigerten viele ihren Dienst und wurden, absurderweise, mit Gefängnis bestraft. Noch erstaunlicher war es allerdings, daß sich etwa 10 Prozent der Insassen trotz ihrer schmachvollen Behandlung als Freiwillige meldeten. Mehr als dreißig kamen um. Sie brachten damit das größtmögliche Opfer für Amerika, das sie als Heimat ansahen – ihre Heimat.

Mit unseren menschlichen Schwächen, fehlgeleiteten Aktionen und frustrierenden Rückschritten konfrontiert, gebe ich dennoch die Hoffnung nicht auf, daß wir die Zukunft verbessern können, wenn wir die Vergangenheit besser verstehen.

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